„Alles, was Gott tut, ist von Dauer.“

Grußwort von Hauptpastorin und Pröpstin Dr. Ulrike Murmann zum Oktober 2023

Liebe Freundinnen und Freunde von St. Katharinen,


die erste kommt immer in die Jackentasche. Frisch aus der stacheligen Schale gepellt, ist die Kastanie besonders schön mit ihrer glatten Oberfläche und der feinen Maserung im Kastanienbraun. Es ist ein kleines alljährliches Ritual geworden, die erste Kastanie, die mir vor die Füße fällt aufzusammeln und mit mir herumzutragen. Sie läutet für mich den Herbst ein und verbleibt ein Jahr lang als Handschmeichler in der Tasche.


Der Herbst schmeichelt der Seele mit noch viel mehr: kühle, frische Morgenluft, leuchtende Laubbäume und Blätterrascheln, Kürbissuppe und Apfelvielfalt. Im Laufe der Herbstwochen schrumpelt die gatte Oberflache der Kastanie und mein Handschmeichler wandert von der Übergangsjacke in den Wintermantel.


„Alles hat seine Zeit“ heißt es in der Bibel beim Prediger Salomo. Es gibt „eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, eine Zeit zum Aufheben und eine Zeit zum Wegwerfen.“ Daran erinnert mich die Kastanie in der Jacke. Wir leben mit den Jahreszeiten, mit Aussaat und Ernte. Nicht immer ist alles zu haben. Aber die Dinge kommen wieder. Auch wenn vieles einmalig und unwiederbringlich ist, wiederholen sich Rhythmen, Zeiten der Entbehrung und der Fülle, der Zerstörung und des Friedens. Dieses Wechselspiel beobachtend, hat der Prediger Salomo eine Erkenntnis: „Alles, was Gott tut, ist von Dauer.“


Die Kastanie in der Tasche beugt Rheuma vor, meinte meine Großmutter. Dieser weitverbreitete (Aber)glaube ist medizinisch wohl nicht haltbar, aber so ist es in Glaubensdingen: Wider alle Vernunft und dem, was wir erleben, halten wir uns an ihnen fest – und sei es nur in der Jackentasche.


Ihre Ulrike Murmann
Hauptpastorin und Pröpstin

 

 

Die Hauptkirche St. Katharinen ist ein Ort der Ruhe inmitten einer lauten Stadt.
Besucherinformationen