Predigt am 13. Mai 2021 – Himmelfahrt

Hauptpastorin und Pröpstin Dr. Ulrike Murmann

Epheser 1, 15-23: „We are the champions…“

 

Liebe Gemeinde,

 

sind ihnen Gewinner oder Verlierer sympathischer? Stehen sie eher für Bayern München auf oder für Schalke 04 :-)? Oder als echte Hamburgerin, als echter Hamburger für den HSV oder für St. Pauli? Wobei - zwischen diesen beiden Clubs ist gerade nicht ausgemacht, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern gehört… Lange her, dass wir in Stadien waren, oder in Konzerten, dass wir den Stars auf dem Rasen oder der Bühne begeistert zugejubelt haben, dass wir gemeinsam eingestimmt haben in den großartigen, unvergesslichen Queen-Song: We are the Champions… no time for loser, cause we are the champions of the world…

 

So müssen sich die Gemeindeglieder in Ephesus gefühlt haben, als sie diesen Brief lasen, wie champions! Einen Lobgesang stimmt der Autor hier an, eine Hymne auf den Glauben und die Liebe der Christen in Ephesus. Hören Sie nochmal:

 

Nachdem ich von dem Glauben an Jesus Christus bei euch gehört habe, und von eurer Liebe zu allen Heiligen, höre ich nicht auf für euch zu danken. Und ich bitte Gott, dass er euch den Geist der Weisheit gebe und erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid und wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für euch ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns ist, gewirkt durch seine mächtige Stärke!

 

Welch eine Auszeichnung! Welch eine Lobeshymne! Die da in Ephesus – die sind die Champions, keine Frage. Sie glauben an Jesus Christus, lieben ihre Nächsten, sind berufen, zu hoffen, reich zu werden und kräftig und stark. In nur zwei Sätze packt der Briefautor all diese großen, anspruchsvollen Werte, die er dort findet: Glaube, Liebe, Heilige, Geist, Weisheit, Offenbarung, erleuchtete Augen, Hoffnung, Herrlichkeit, Kraft, Stärke! Wahnsinn! Man möchte die Siegerfaust in die Luft strecken. Da gibt’s keinen Zweifel. Diese Gemeinde ist top, ganz große Klasse, steht ganz oben auf dem Treppchen, ausgezeichnet! Champions eben! Ich gönne ihnen das Lob, so wie ich auch Sieger bewundern kann, die durch ihre Disziplin, ihr Talent, ihre enorme Energie und Leidenschaft erfolgreich für ihre Sache kämpfen.

 

Und doch habe ich auch viel Sympathie für die Verlierer, für diejenigen, die es nicht schaffen, deren Kraft, Weisheit, Hoffnung und Stärke nicht ausreichen, deren Glauben vom Zweifel begleitet wird, deren Liebe scheitert oder an eigene Grenzen stößt. Meine Sympathie für Verlierer könnte daran liegen, dass ich mich selber öfter auf dieser Seite wiederfinde. Weil ich an mir zweifle. Weil mir vieles nicht gelingt, was ich mir vorgenommen habe. Weil ich das Glück nicht sicher auf meiner Seite habe. Weil ich mich oft schwach und kraftlos fühle. Weil ich nicht die Liebe gezeigt habe, die andere gebraucht hätten. Weil ich zu wenig geglaubt habe. Weil mir die Hoffnung abhandenkam. Weil meine Augen nicht erleuchtet, sondern tränenerfüllt waren.

 

Entspricht das nicht viel eher unserer Realität, liebe Gemeinde? Gerade jetzt angesichts Covid 19? Wie viele Menschen haben wir verloren? Und wie viele haben ihre Hoffnung und Zuversicht verloren? Kulturschaffende dürfen noch immer nicht schaffen. Viele Menschen müssen Insolvenz anmelden. Aus Siegern werden Verlierer und zu den Gewinnern dieser Krise zählen solche, die vor einem Jahr noch nicht mal in den Startlöchern standen…

 

Schauen wir noch einmal zurück auf den, der damals in Jerusalem verlor und doch gewann, der verspottet und verhöhnt wurde, der einsam und scheinbar gottverlassen am Kreuz starb und doch von Gott nicht allein gelassen wurde. Sondern, so heißt es weiter im Brief an die Epheser:

 

Mit seiner mächtigen Stärke hat Gott Christus von den Toten auferweckt und ihn eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft…alles hat er unter seine Füße getan und ihn zum Haupt der Gemeinde gesetzt…“

 

Jesu Himmelfahrt wird hier nicht beschrieben, über sie berichtet im Neuen Testament Lukas in seinem Evangelium: Danach erlebten die Jünger 40 Tage nach Ostern wie der auferstandene Jesus sich von ihnen verabschiedete, sie segnete und in den Himmel erhoben wurde. Das löste bei den Jüngern große Freude aus. Sie kehrten nach Jerusalem zurück und lobten Gott im Tempel (Lk 24,53). „Aufgefahren in den Himmel“ – so beten wir im Glaubensbekenntnis und so sehen wir ihn auf den prachtvollen Gemälden und barocken Gewölbeverzierungen in Kirchen und Museen: Auf manchen Bildern sieht man tatsächlich nur Jesu Füße von unten, auf anderen sein Sitzen zur Rechten des himmlischen Vaters. Meistens ist dieser Himmel erfüllt von Glanz und Licht, von musizierenden Engeln, betenden Aposteln, von Heiligen und vom Tod Auferweckten. Der Himmel ist seit alters her ein Symbol für ein Leben in Fülle und Freude, für eine Gemeinschaft fröhlicher Menschen, in der keiner auf Kosten von anderen lebt, wo Streit, Leid, Tod und Schmerz ein Ende haben. Ein Bild für eine Welt, in der zwischen Gewinnern und Verlierern nicht mehr unterschieden wird, weil dort möglicherweise alle zu champions werden.

 

I’ve paid my dues, time after time, I’ve done my sentence but comitted no crime…and bad mistakes – I’ve made a few, but I‘ve done through“, singt Freddy Mercury: ich habe meine Schulden bezahlt, meinen Satz gemacht, aber kein Verbrechen begangen. Ich habe Fehler gemacht, aber ich bin durchgekommen… So wie wir – sind durchgekommen bis hierher und können dankbar sein. Ja, mittlerweile auch wieder voller Hoffnung, denn endlich, endlich steigt die Zahl der Geimpften. Auch wenn es nicht leicht war, no bed of roses, no pleasure cruise, kein Rosenbett und keine Vergnügungsfahrt. Sind wir also, so wie wir hier sind, auch champions? Of the world?

 

Der Briefschreiber würde wahrscheinlich mit einer Einschränkung zustimmen: Wir sind zwar Sieger, aber nicht auf Erden, sondern im Himmel. Wir sind Sieger, weil wir zu Christus gehören und er ja all die dunklen und feindlichen Mächte schon besiegt hat, die uns auf Erden noch beherrschen. Im Himmel sind sie schon jetzt überwunden. Denn alles hat Gott unter seine Füße gestellt, alles ist ihm unterworfen. Das ist die Hoffnung, zu der wir berufen sind, die unsere erleuchteten Augen erkennen können, wenn wir uns Christus zuwenden.

 

Liebe Gemeinde, eines möchte ich zum Schluss noch hinzufügen. Mein Bild von Gottes Himmel, vom Himmelreich hat mit den kindlichen oder künstlerischen Phantasien vergangener Jahrhunderte wenig gemein. Ich verstehe den Himmel Gottes symbolisch als einen Ort, an dem ich Gott ganz nah bin, getröstet und gehalten, versöhnt und geliebt, angesehen und vollendet, nicht allein, sondern mit denen, mit denen, die ich liebe und die mich lieben. Genauer will ich es gar nicht wissen. Das reicht mir und das hoffe ich, eines fernen Tages zu erleben. Was auch immer kommen mag: Unsere Zukunft liegt in Gottes Hand – und das allein lässt mich getrost, ja und sehr oft sogar glücklich sein. Und so geschieht, dass ich ab und an schon jetzt etwas von dem Glück der Sieger und von der Freude des kommenden Himmels erlebe, so wie Wiebke Veth gleich singen wird:

 

Der Himmel, der kommt, das ist die fröhliche Stadt und der Gott mit dem Antlitz des Menschen. Der Himmel, der kommt, grüßt schon die Erde, die ist, wenn Liebe das Leben verändert (EG 153).

 

Amen.

 

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Die Hauptkirche St. Katharinen ist ein Ort der Ruhe inmitten einer lauten Stadt.
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