Predigt am 21. Juli 2024 – 8. Sonntag nach Trinitatis

Pastor i.R. Sebastian Borck

Wach auf und steh auf von den Toten! (Epheser 5, 8–14)


 

Wacht auf, Psalter und Harfe, das Morgenrot will ich wecken! – so haben wir den Psalm mitein-ander gesprochen. Das Morgenrot will ich wecken! – was ist das denn? Weit greifen meine Arme aus, mit allen Sinnen bin ich dort, wo der neue Tag beginnt, ganz eins mit allem, was neu emportritt. Als ob es eines wäre, der neue Morgen und ich mitten darin.

 

Das Morgenrot will ich wecken! Es ist solch ein schöner Übersprung da im Psalm. Als ob ich es wäre, der es wecken würde, das Morgenrot, und nicht umgekehrt, Ursache und Wirkung vertauscht im Überschwang. Herrlich, was sich die Bibel da erlaubt!

 

Das ist Ostern und Osterfreude, Aufwachen und Aufstehen, Aufbrechen und Neues anpacken. So in Bewegung kommen, dass es ganz egal ist, ob mich etwas zieht oder ich es bin, der vorantreibt. Ja, es gibt solche Zeiten, wo uns nicht nur die Morgensonne weckt, sondern wo wir so in einen Flow kommen, dass alles leicht wird und Schwieriges uns gelingt und wir sogar andere noch mit hineinnehmen können in soviel Sonnenschein.

 

Phasen sind das, wo wir ganz wach sind und uns alle Sinne zu Gebote stehen, wo wir uns selbstvergessen dem Leben in die Arme werfen können, offen und empfänglich für das, was auf uns zukommt, bereit, in Schwieriges hineinzugehen, aufrecht, achtsam und tatkräftig.

 

Kein Zweifel an unseren Kräften, keine Fragen an unser Vermögen. Jesus hat unglaubliches Zutraun: Ihr seid das Licht der Welt. Macht euch nicht klein. Stellt euch nicht in den Schatten. Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

 

Es ist die unglaublich österliche Gewissheit, die daraus spricht. Weil Jesus durch Böses und Gewalt, Verlorenheit und Tod hindurchgegangen ist, deshalb kann er so ermutigen, ans Licht zu bringen, was – all Morgen ist ganz frisch und neu – an Gaben gereift ist und zur Geltung gebracht gehört. Nicht aus Eigensucht, sondern, wie es heißt, um euren Vater im Himmel zu preisen.

 

Natürlich wissen wir allemal, nicht ständig so bereit, so auf dem Sprung zu sein. Manchmal ist es auch, als zeigten alle Pfeile unseres Lebens nicht hinauf, sondern hinunter, in verschiedene Formen von Zerstörung. Unfruchtbare Werke der Finsternis werden sie in unserem Predigttext genannt. Was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Also nicht, dass nichts geschehen würde, im Gegenteil, es ist allerhand los und es wird investiert in Herabsetzungen und Verängstigungen, in Lügen und Verschwörungsmythen. Wer da hineingerät, kommt schwer wieder raus. Teufelskreise lassen sich nur schwer aufbrechen.

 

Das weiß auch, wer sich von seinen inneren Kraftquellen getrennt und in einem Strudel negativer bedrängender Kräfte empfindet. Manchmal hilft da nur, wenn ein anderer stellvertretend an einen glaubt, nüchtern, lauter und mit langem Atem. Ein bloßes Steh auf! würde da nicht weiterhelfen können. Was aufmuntern soll, verkehrte sich in Druck, in einen Pfeil nach unten. Erst muss da eine Basis neu entstehen, eine Verbindung zu Kraftquellen, die da sind und wieder zugänglich werden.

 

Wer durch solche Phasen von Dunkelheit hindurchgegangen ist, wem das Unfruchtbare und all die Unwahrheit offenbar geworden ist und wer in neuer Weise seiner tieferen Quellen gewiss geworden ist, der kann dann auch mit innerer Überzeugung hören, was im Epheserbrief steht: Wacht auf, wandelt als Töchter und Söhne des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf. Das mag dann wie eine Bestätigung und Bestärkung eigener Erfahrung und Erkenntnis sein.

 

„Manchmal stehen wir auf“, hat Marie-Luise Kaschnitz gedichtet, „stehen wir zur Auferstehung auf, mitten am Tage mit unserem lebendigen Haar, mit unserer atmenden Haut. Nur das Gewohnte ist um uns. … Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken, ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus. Und dennoch leicht und dennoch unverwundbar geordnet in geheimnisvolle Ordnung, vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“

 

Darum geht es: Auferstehung mitten im Leben. Darum geht es Jesus: Die guten Gaben Gottes zum Leuchten bringen, sie nicht unter den Scheffel stellen noch sich ihrer schämen. Darum geht es dem Auferstandenen: Wach auf, Christenheit, steh auf von den Toten. Die Finsternis lass hinter dir. Lass dich nicht mit dunklen Mächten ein. Stattdessen: steh auf zum Protest! Wenn’s grundfalsch läuft: Mach wenigstens klar, dass du nicht zustimmst, und sichtbar, dass, was passiert, nicht dein Einvernehmen hat. Ungerechtigkeit und Unwahrheit, heimlich getan, gehören aufgedeckt und ans Licht gebracht, aller Empörung und Kritik frei zugänglich.

 

Das sind die praktischen Konsequenzen aus Ostern: Verkriech dich nicht, schon gar nicht in dich selbst. Mach deine Augen auf und verschließ‘ dich nicht. Bleib nicht allein.

 

Was passiert, wird tödlich enden. Das war mit der Jesusgeschichte so, und das ist bis heute leider nicht anders – wir brauchen uns ja nur umzusehen. Umso wichtiger ist der Osterruf. Er steht dagegen, gegen alle Teufelskreise. Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden! Er bleibt Geheimnis des Glaubens, der unverhoffte Überschuss. Er kann die Bewegung sein, die dein Leben bestimmt, dich tragend und von dir vorangetrieben zugleich.

 

Wacht auf und steht auf von den Toten! Das Morgenrot will ich wecken!

 

Amen.

 


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